Sucht:



Ich lebe seit einigen Jahren als trockene Alkoholikerin. Wie und warum das alles angefangen hat, weiß ich heute nicht so genau. Natürlich hat meine Sucht auch etwas mit meiner Transsexualität zu tun. Aber sicher nicht alles. Ich denke ich habe früher schon regelmäßig "zu viel" getrunken. D.h. das ich schon in jungen Jahren des öfteren, nicht wusste, wann ich aufhören sollte. Mein ersten Rausch habe ich wohl mit 11 oder 12 Jahren erlebt. Die Dosis und Häufigkeit hat danach immer zugenommen.Heute ist mir klar, das nicht die Dosis, sondern das zwanghafte weitertrinken die Sucht ausmacht. Ich konnte einfach nicht mehr aufhören, so sehr ich mich auch bemühte. Trinken wollte ich da schon lange nicht mehr, aber ich musste, schon allein um den inneren Riss der durch mich hindurchging zu überdecken.Ausserdem dachte ich, ich könnte nur so in Ruhe schlafen.

Regelmässig - d.h. täglich, habe ich so ab 1989 angefangen zu trinken. Seit 1992 wußte ich, das ich ein "Problem mit dem trinken" habe. Ich habe dies auch in einem Gespräch zugeben können. Allerdings sah ich keinen Grund, aus diesem Wissen Konsequenzen zu ziehen.Als 1994 eine sehr liebe Tante von mir gestorben war, stieg die Dosis Alkohol nochmal deutlich an. Ostern 1995 war ich psychisch so am Ende, das ich nur noch "sterben" wollte. Ich fuhr mit einigen Mitgliedern meiner Familie in die Sächsische Schweiz und dachte dies würde mein letzter Urlaub sein. Zurück in meiner Wohnung begann ich mein Leben aufzuschreiben und einen Abschiedsbrief an meine Eltern. Nach einem Missglückten Selbstmordversuch mit Schlaftabletten, kam ich zu mir und versuchte aus diesem Teufelskreis herauszukommen.

Der Wille allein reichte mir dabei aber nicht, das hatte ich ja schon die ganzen letzten Jahre über probiert. Ich musste mir Hilfe von aussen holen. Ich ging, in Begleitung meiner Mutter, in eine Beratungsstelle für Suchtkranke. Die Begleitung war nötig, da ich mir allein nicht so unbedingt über den Weg traute. Aber ich hatte Kapituliert, vor dem Alkohol und meiner Sucht. Ich ging dann für 3 Wochen zum Entzug in die Klinik und hörte dort auch etwas über Selbsthilfe und deren Gruppen. Ich wußte dass das trocken bleiben selber sehr viel schwieriger werden würde. Am Anfang ging ich 5 mal die Woche in eine Gruppe, heute nur noch einmal. Das reicht derzeit für mich aus. Eine Therapie wollte ich zu diesem Zeitpunkt, auch und vor allem im Hinblick auf meine Transsexualität, nicht. In der Therapie hätte ich diese zur Sprache bringen müssen, aber das konnte ich damals noch nicht.

Drei Dinge waren für mich sehr wichtig um trocken leben zu können. Erstens der Wille aufzuhören, dem ich jedem Suchtkranken unterstelle. Zweitens die Kapitulation vor dem Suchtmittel, d.h. nichts anderes als Hilfe von aussen zulassen zu können. Und drittens mein persönlicher Tiefpunkt im Jahre '95.
Heute ist mir bewusst, das ich an einer chronischen Krankheit leide, mit der ich mich auseindersetzen muss. Solange wie ich nicht trinke, habe ich auch keine körperlichen Symptome und die Erinnerung wird durch das selektive Gedächtnis verklärt.
Die Selbsthilfegruppe und die Auseinandersetzung mit nicht süchtigen führt aber bei mir dazu, nicht zu vergessen, wo ich herkomme.

Und da möchte ich nicht mehr hin.
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